𝟛𝟝 Taxifahrer in Stuttgart

Ich war fast sechzig Jahre alt, als ich mir einen riesigen Wunsch erfüllte und bei einem sehr guten Lehrer in Stuttgart Barocklaute lernte.
Als ich dann nach einigen Jahren an den Bodensee zog, blieb mir nichts anderes übrig, als immer wieder zum Unterricht nach Stuttgart zu fahren. Ich kannte den Weg, wusste, wo man einen Parkplatz findet, und freute mich jedes Mal auf den Lautenunterricht.


Und dann kam es, wie es manchmal kommen musste: 

Es ging mir nicht besonders gut, ich hatte eine Lautenstunde ausgemacht. Stuttgart wurde heillos umgebaut mit zahlreichen Umleitungen, und ich war spät dran.

Als ich nach Stuttgart kam, merkte ich sehr schnell, dass die Fahrerei anders war als sonst. Ich kannte mich überhaupt nicht mehr aus, wo ich war. So fragte ich einen Taxifahrer, der gerade am Rand parkte, wo es langging. Der machte ein sorgenvolles Gesicht, sagte, es sei in der Innenstadt, wo ich hinmüsste, alles gesperrt und gab sich Mühe, mir den neuen Weg zu erklären:
1. Straße rechts, dann an der 2. Ampel links, 100 Meter geradeaus, dann wieder rechts und links und ja nicht an der 3. Ampel etc. etc.”


Ich schaute auf die Uhr. Es war höchste Zeit. Ich gab Gas und fuhr und fuhr und hatte bald keine Ahnung mehr, wo ich war. Halten und fragen bei dem Großstadtverkehr unmöglich. Ich wurde immer nervöser, wendete zweimal, geriet auf eine Schnellstraße, die mich aus der Stadt führte und fürchtete schließlich, dass ich nicht nur zu spät zum Unterricht käme, sondern dass die ganze Stunde ´gelaufen´ war.


Den Tränen nahe landete ich schließlich, eingeklemmt in einer schmalen Sackgasse, wo es nicht mehr vor noch zurück ging. Ich war erschöpft und überreizt und hielt verzweifelt an.
Da hupte es hinter mir und kurz darauf schaute das freundliche Gesicht des Taxifahrers, den ich anfangs gefragt hatte, zur Scheibe herein und sagte: „Ich glaube, Sie sind hier falsch.” 


Da brach ich in Tränen aus. 

Er erklärte mir dann: „Ich fuhr ein Stück hinter Ihnen her und habe gemerkt, dass Sie falsch abgebogen sind. Ich kenne einen geheimen Schleichweg durch die Innenstadt. Sonst kommen Sie nicht mehr pünktlich hin. Fahren Sie hinter mir her!”

Ich konnte mein Glück gar nicht fassen.
Wir fuhren kreuz und quer, bis er mich schließlich fast direkt am Haus meines Lehrers absetzte, hupte und winkte und weiterfuhr.
In der Aufregung hatte ich mir nicht einmal seine Autonummer gemerkt und konnte mich gar nicht einmal bei ihm bedanken. So schickte ich ihm nur einen dicken Schutzengel hinterher und denke heute noch, nach vielen Jahren, in zentnerschwerer Dankbarkeit an ihn.


Seither leuchtet ein heller Stern über allen Taxifahrern in Stuttgart. 


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